Man höre und staune: Inmitten der Diskussionen um Staatsverschuldungen und den erklärten Zielen wegen geburtenschwachen Jahrgängen die Lebensarbeitszeiten zu verlängern kommen hochgebildete Akademiker, bodenständige Geschäftsleute und Politiker daher und erklären: Leben ohne Zwang zur Arbeit ist möglich! Ja, sie rufen sogar dazu auf: Lasst den Zwang zur Lohnbuckelei in einem unerwünschten Job aus Existenzgründen wie Familienernährung, Hypothekenbedienung oder fehlenden alternativen Einkommensquellen wegfallen und alle sind erleichtert und atmen auf. Das Grundeinkommen ohne Verpflichtungen für jeden ist erfunden!
Die Firmen wären es zufrieden: Sie liebäugeln damit, dass unmotivierte Mitarbeiter und alle Nörgler und Faulpelze und Querulanten freiwillig den Arbeitsplatz räumen und das Weite suchen. Die Produktivität, so hoffen sie, wird steigen. Die verbleibenden Mitarbeiter genießen die neue Wohlfühlatmosphäre: Weil es unangenehm und Kräfte zerrend ist, mit unmotivierten oder lediglich durch den Lohn gepushten Kollegen zusammenzuarbeiten.
Welch ein gewagter Schritt in die richtige Richtung? Während in Mumbai / Indien (früher Bombay) beispielsweise von circa 20 Millionen Einwohnern schätzungsweise acht Millionen ohne staatliche Hilfen unterhalb der Armutsgrenze leben, soll einem Sozialhilfeempfänger hier im europäischen Paradies ein Grundgehalt von 1.000 Euro monatlich zustehen?
Das Motto: «Sei kreativ und lebe, ohne zu arbeiten!» wird aus der Welt der Fantasie in die Realität katapultiert. Religionen wie der Islam und das Christentum werden Anhänger verlieren. Das Paradies im Hier und Heute ist scheinbar teilweise möglich. Versprechungen vom Paradies jenseits des Todes gehen ins Leere. Auch hier trennt sich die Spreu vom Weizen: Tiefgläubige werden ihrer Religion die Stange halten. Die Zweifler und Nörgler springen ab.
«Welch ein Unfug!», sagt so manch einer, der jahrzehntelang für Familie, Haus, Auto, Alterssicherung und Hypotheken gearbeitet hat. Das Leistungsprinzip soll außer Kraft gesetzt werden und das Lustprinzip als Leitmotiv für ein ganzes Volk gelten? Doch dann schaut er genauer hin. Das Grundeinkommen gilt ja nicht nur für die, die von der Hand in den Mund leben, sondern auch für Begüterte, also auch für ihn, wenn er nach Jahrzehnten das Häuschen endlich abbezahlt hat. Besänftigt runzelt er die Stirne und nickt widerstrebend. Das ist nun wirklich Gerechtigkeit, denkt er sich im Stillen.
Die Hartz-IV Empfänger bekommen glänzende Augen: Endlich! Das Schlaraffenland ist in greifbare Nähe gerückt. Ein Leben ohne Geldsorgen! Wird das Märchen Wahrheit? Versuchen wir es einmal durchzudenken.
Ein junger Mann, nennen wir ihn Lars Müller, bekommt also von heute auf morgen 1.000 Euro. Einfach so. Nach Abzug von Miete und Lebenshaltungskosten bleibt ihm nicht genug zum sorgenfreien Leben. Gilt das Grundeinkommen jedoch auch für Kinder, wird er schauen, dass er sich mit Klara, seiner bis dato Fernbeziehung zusammentut. Zusammen kommen sie auf 2000 Euro. Das ist schon etwas. Richtig interessant wird aber die Familiengründung. Je mehr Kinder, umso mehr Geld klingelt in der Kasse. Die Grenzen öffnen, weil die Geburten zurückgehen und zu wenig Junge die Renten der Alten bezahlen? Das muss nun nicht mehr sein. Die Geburtenrate wird explodieren.
© 2013 Hans-Jürgen John
Hans-Jürgen John ist auf Twitter, auf Facebook und bloggt u.a. auf Johntext Schweiz.