Fremdenfeindlichkeit und Fremdenvorsicht von Hans-Jürgen John

Man begegnet ihr überall. Der Fremdenfeindlichkeit. In der Erziehung, auf den Straßen, in den Medien, als Mittel zum Zweck in der Politik, als ureigenen instinktiven Verteidigungsmechanismus und bei Zuwanderungsdiskussionen, wenn die Wertschöpfung scheinbar in Gefahr gerät.
Zusammengefasst und reduziert auf das Wesentliche handelt es sich um ein zwischenmenschliches Problem. Unbekanntes trifft auf unser Ego und wird vorsichtig bis feindselig beäugt – bevor es uns schaden kann.

Ich stelle mir vor, wie vor Jahrhunderten und Jahrtausenden gewaltbereite, fremde Horden in die Lebensgemeinschaft friedlicher Bürger einfielen und deren Hab und Gut zerstörten, Todesangst hervorriefen und damit den Grundstein zur Fremdenfeindlichkeit heute legten.

Was sagt unser allgegenwärtiger Ratgeber https://de.wikipedia.org/wiki/Fremdenfeindlichkeit dazu?

«Fremdenfeindlichkeit, gelegentlich auch Xenophobie – griechisch ξενοφοβία „Fremdenangst“, von ξένος xénos „Fremder“ und φοβία phobia „Angst“, „Furcht“), bezeichnet eine ablehnende, ausgrenzende oder feindliche Haltung gegenüber Personen oder Gruppen, die als andersartig gesehen werden. Dabei kann die Ablehnung mit echten, vermeintlichen oder angeblichen sozialen, religiösen, ökonomischen, kulturellen oder ethnischen Unterschieden begründet werden.»

O.k., so genau wollte ich das nun auch wieder nicht wissen. Die wohlformulierte, wissenstriefende, fachlich fundierte Meinung kommt klar und kalt und ohne Emotionen daher. Das ist wohl auch notwendig. Emotionen werden verwendet, um Stimmungen für oder gegen etwas zu machen. Um objektiv etwas beurteilen zu können, braucht es klare Gedanken und Worte.

Wie war denn das also noch einmal? Unsere Urvorfahren waren schon sesshaft und planten ein erfülltes und gemächliches Leben auf der Grundlage von Ackerbau und Viehzucht und dann kamen ein paar vagabundierende Räuber und nahmen ihnen kurz vor dem Winter die Ernte des ganzen Sommers ab. Solche Ereignisse, auch wenn sie nur als verharmlosendes Beispiel daherkommen, – die Wirklichkeit war sehr viel brutaler – lassen verstehen, wieso wir Fremdem gegenüber misstrauisch bis feindlich eingestellt sind.

Was wir kennen – Menschen, die unsere Sprache sprechen, unsere Hautfarbe haben, uns ähnlich sehen und gleiche Sitten und Gebräuche pflegen – können wir einschätzen. Sie sind uns vertraut. Wir können damit umgehen. Das Andersartige lässt uns vorsichtig werden und wir bauen ihm eine höhere Hürde, bis es unser Vertrauen gewinnt als anderen.

Jeder Mensch ist mit der Möglichkeit des Vertrauens, der Liebe und auch des Hasses und des Misstrauens ausgestattet. Wie ein Akademiker beim Einsortieren seiner Buchlektüre stehen auch wir vor den Regalen unseres Verhaltens. Alles Fremde – das können Menschen sein, die Asyl suchen oder einfach der Unbekannte auf der Straße – legen wir unter der Rubrik Vorsicht oder Misstrauen oder fremd und feindlich ab.

Und doch muss man uns zugute halten, dass wir schnell Vertrauen fassen und diese Kategorisierung umstellen können. Wir sind lernfähig. Wegen ein paar Asylanten, die Straftaten begehen verurteilen wir nicht alle pauschal. Fremdenfeindlichkeit ist eigentlich Fremdenvorsicht.

Sehen wir uns die Sache genauer an. Die Asylanten flüchten – ob vor wirtschaftlicher Not oder politischer Verfolgung ist dem Christen in uns erst einmal egal.  Sie sind fremd in ihrem Heimatland oder fühlen sich so dort. Gibt es einen stärkeren Grund, ihnen unsere Hilfe und unsere Hände zu reichen? Wohl kaum. Letztlich fühlen wir uns wohl, wenn wir helfen dürfen. Eigentlich haben wir ein schlechtes Gewissen, weil es uns gut geht. Es zwickt uns, wenn wir die Hungernden in Afrika sehen oder die Opfer der wiederkehrenden Naturkatastrophen auf den Philippinen. Wir sind froh zumindest den wenigen helfen zu können, die es bis an unsere Grenzen schaffen.

Es soll schon Länder geben, die Asylanträge nicht mehr in ihren Botschaften annehmen. Wenn uns die Angst dazu verführt, uns einzumauern in unserem Reichtum und unsere Hände nicht mehr Mitgefühl und Nahrungsmittel verteilen, sondern Hass transportieren, dann schämen wir uns für uns.

© 2013 Hans-Jürgen John

Hans-Jürgen John ist auf Twitter, auf Facebook und bloggt u.a. auf Johntext Schweiz.

 

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