Die renommierte deutsche Wochenzeitung «Die Zeit» stellt am 06. August dem Vorsitzenden Richter im Münchener Bestechungsprozess gegen Formel-1-Boss Ecclestone auf der Titelseite ein Armutszeugnis aus.
«Wie kann es sein, dass derselbe Vorsitzende Richter einen Mann findet, der bestochen wurde aber keinen, der bestach?»
Der Banker Gerhard Gribkowsky ist wegen Bestechlichkeit zu anderthalb Jahren Gefängnis verurteilt worden. 44 Millionen hat ihm Ecclestone zukommen lassen. Nun macht Ecclestone 100 Millionen Dollar für ein Leben in Freiheit locker. Das Signal an die Öffentlichkeit ist fatal. Es könnte der Eindruck entstehen, dass Geld Macht über das Gesetzsystem verleiht und seine Besitzer über das Recht stellt.
Das ist sicher nicht so. Womöglich hat Ecclestone Infos zur Verurteilung Gribkowskys geliefert und hinter den Kulissen einen Deal ausgehandelt, während dieser im Zeugenstand sich in Widersprüche verstrickt und Gedächtnisverlust vorgibt, um Ecclestone zu schützen.
Wie auch immer, es bleibt ein Nachgeschmack bei allen, die Zeitung lesen und nicht die Zeit und Muse haben, sich mit weiteren Details eine klare Meinung zu bilden.
Die «Neue Zürcher Zeitung» ist am 06. August noch deutlicher. Unter der Titelzeile «Dankt auch Deutschland als Rechtstaat ab?» ist von «staatlichem Ablasshandel» die Rede.
«Wenn Bestimmungen des Straf- und Strafprozessrechts erlauben, sich einfach freizukaufen, ist dies als pures «Checkbuch-Strafunrecht» zu bezeichnen. Zugunsten ausschliesslich der Vermögenden. Es schlägt jedem Gerechtigkeitsdenken ins Gesicht.»
Handelt es sich also – auch wenn es im Ermessenspielraum des Richters liegt solche Deals einzugehen, um eine Bestechung des Staates? Und wenn es sich um eine Straftat handelt – wo bleibt die Strafe? 100 Millionen Dollar tun einem Milliardär nicht weh.
Wer würde es wohl wagen, die Bundesrepublik Deutschland wegen möglicher Verletzung des im Grundgesetz wie auch in der Grundrechtscharta verankerten Gleichheitsgrundsatzes vor dem internationalen Gerichtshof anzuklagen? Man darf gespannt sein.
Hans-Jürgen John ist auf Twitter, auf Facebook und bloggt u.a. auf Johntext Schweiz.