So ein Nobelpreisträger wie Günter Grass ist nicht irgendwer. Seine Meinung hat Gewicht. Den Nobelpreis bekam er für sein Lebenswerk. Und doch ergibt so eine Ehrung kein Muss, sich zu allen Themen zu melden.
Günter Grass weiß um die Wirkung jedes seiner Worte und ist sich bewusst, was er auslöst. Publiziert ein «normaler» Schriftsteller in einer Zeitung, so kann er von Glück sagen, wenn er noch von einer oder zwei anderen ob dessen erwähnt wird. Veröffentlicht Grass, so beginnt die Translationslawine damit, ihre mächtigen Arme zu regen. Wie viele Sprachen es wohl sind, in die sein Gedicht innerhalb kürzester Zeit übersetzt wurde? Den Adressaten in Israel muss ein Echo aus so vielen Zeitungen in Ländern der ganzen Welt wie Maschinengewehrfeuer geklungen haben. Nur so lässt sich die heftige Reaktion mit Einreiseverbot erklären.
Grass weiß um die Wirkung seiner Worte. Was bewirken sie? Er provoziert. Er stellt sich auf die Seite einer Partei des Konfliktes. Er klagt an. Er erzeugt breite Aufmerksamkeit für ein Thema öffentlich.
Löst er das angesprochene Problem oder drängt er Israel in die Rolle des Angegriffenen, der keinen Millimeter von seiner Meinung abrückt?
Was darf Literatur? Was sollen Worte bewirken? Zumal wenn sie aus der Feder eines so angesehenen Menschen stammen, zu dem viele aufblicken.
Israel hat den Sechstagekrieg 1967 geführt und gewonnen, weil es seinen Gegnern, den arabischen Staaten, zuvorkam. Es wurde bedroht und hat sich gewehrt. Es liegt nahe, erfolgreiche Verhaltensweisen zu wiederholen. Israel wird demnach den Angriff zum Zweck der Verteidigung immer in Erwägung ziehen.
Israel setzt auf eine Politik der Stärke. Verbündete hat es unter den Nachbarstaaten kaum. Gewalt ruft Gegengewalt hervor. Es ist zu spät, nun zur Lösung der aktuellen Problematik auf Friedenspolitik umzuschalten. Dies würde als Schwäche gesehen und ausgenützt werden.
Und Grass? Der erste Schritt ist getan. Er hat breites Interesse erreicht und erzeugt. Welche Vorgehensweise gebietet nun die Altersweisheit und kluge Umsicht? Soll er weiter Wortgewalt mit Wortgewalt vergelten? Er könnte damit beginnen, auf eine Lösung des Konfliktes hinzuwirken. Grass kann zeigen, wie Literatur Konflikte und Probleme löst. Wenn nicht er, wer dann?
© 2012 Hans-Jürgen John
Hans ist Hans John (@rafaelofirst) auf Twitter und Hans.John.16 auf Facebook. Hans bloggt auf www.johntext.de und www.tage-bau.de .