Wegweiser durchs Leben

Wir beginnen jeden neuen Tag in der Gegenwart. Und wir nehmen jeden Tag ein wenig Erfahrung und Wissen und Ratschläge aus dem Erlebten in die nächsten Tage mit. Wir lernen. Ob wir es wollen oder nicht. Einen Teil des Erlebten dürfen wir vergessen, indem wir schlafen und Geschehnisse verarbeiten und am nächsten Morgen sind nur die wichtigsten Erinnerungen in unserem Bewusstsein parat, um uns durch die Anforderungen in Beruf und Privatleben zu schleusen.

Die wohl wichtigsten Bezugspersonen eines Menschen sind seine Eltern. Als Kind verbringt er viel Zeit mit ihnen und ahmt die Verhaltensweisen der Eltern nach und wird von ihnen geprägt.

Nun begegnen uns im Leben vielerlei Situationen. Wieso verhalte ich mich so, wie ich mich verhalte? Unverwechselbar. Als würde ich unsichtbaren Wegweisern und Hinweisschildern folgen. Ich stelle mir vor, dass meine Eltern diese Wegweiser oder Lebenshilfen in der Hoffnung aufgestellt haben, dass ich mich zur rechten Zeit ihrer erinnere.

Vor allem mein Vater hatte diese Art, von ihm erprobte Verhaltensweisen in kurze Sätze zu packen und sie bei passenden Gelegenheiten wieder und wieder vorzutragen. So war seine Sicht auf Frauen zwiespältig. «Eine schöne Frau gehört Dir nie alleine», pflegte er zu sagen, wenn es in einer Fernsehserie um Liebe, Streit, Eifersucht und Seitensprünge ging. Aus heutiger Sicht versuche ich mir vorzustellen, dass er dies sagte, um mir auf dem weiteren Lebensweg zu helfen. Ich muss dazu sagen: Meine Eltern wurden nie geschieden.

Schöne Frauen sind bei den Männern begehrt. Mit einer unattraktiven Frau zusammenzuleben erhöht demnach – um es zu Ende zu denken – die Chance – mangels Konkurrenz – noch nach Jahrzehnten mit der gleichen Partnerin zusammen zu sein. Solchen Sprüchen zu folgen, ohne sie zu hinterfragen, kann aber auch in der Sackgasse Einsamkeit oder Unglücklichsein enden.

«Verliebe Dich nie in eine reiche Frau.» Dieser Satz alleine macht wenig Sinn, ohne meinen Vater und seine Ansichten zu kennen. Er war der Ansicht, dass eine Heirat, um den sozialen Status zu verbessern überflüssig sei. Der männliche Part würde von seiner Ehefrau abhängig und da sie immer denken müsste, ihr Partner habe sie aus finanziellen Gründen gewählt, sei die Verbindung im vorne herein mit einer Sollbruchstelle versehen und zum Scheitern verurteilt. Das hört sich rational an und es stellt sich die grundsätzliche Frage, ob Gefühle sich vom Verstand steuern lassen (sollten). Immerhin zeigt die Erfahrung, dass es viele glückliche Beziehungen auch mit grossem finanziellen Gefälle gibt.

© 2013 Hans-Jürgen John

Hans-Jürgen John ist auf Twitter, auf Facebook und bloggt u.a. auf Johntext Schweiz.

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